Mittwochnachmittag vor der Küste von Patras (GR). Einen kurzen Blick unter den LKW-Anhänger und prompt hat sich da eine Person versteckt. Mit der Absicht, endlich von Griechenland zu flüchten und irgendwie nach Zentral-Europa zukommen.
Aber was zum Geier mache ich in Griechenland und was hat es mit diesem Flüchtling auf sich?
Spulen wir nochmals zurück.
Freitagmorgen den 28.10.2022. Ein Kollege (Timon) und ich waren in Schlieren bei GAiN Switzerland und besprachen nochmals die ganze Reise. Unser Ziel, 2 Container, gefüllt mit Material für Flüchtlinge, die unter anderem auf der Insel Lesbos gestrandet sind, nach Griechenland zu bringen.

OK, so weit so gut. Aber du bist doch angestellt als Videograf. Was machst du dann in einem LKW, gefüllt mit Hilfsgütern und fährst nach Griechenland?
Ca. vor 1 Monat kam die Anfrage, ob ich mit dem LKW nach Griechenland fahren, da ein Interview mit einem Flüchtling filmen, und dann wieder mit dem LKW zurück in die Schweiz fahren könnte. Meine Reaktion „Wow, das ist mal ein Alltag, der nicht 0815 ist" Ich sagte mit Begeisterung zu und wir begannen mit der ganze Planung. Zuerst den ganzen Transport für GAiN, zugleich aber auch die Planung des Videos meinerseits.
Wir standen also am Freitagmorgen bereit für diese spannende Reise. Kamera-Equipment gepackt und der LKW abfahrbereit. Die Reise ging los und voller Elan fuhren wir Richtung Chiasso, um da über die Grenze nach Italien zu gelangen. Leider war vor dem Gotthard dann auch schon wieder fertig mit rollen. Die Polizei winkte uns auf die Seite und eine Kontrolle stand an.
Naja, wenigstens wussten wir danach, dass alles in Ordnung war und die Reise weitergeführt werden konnte. In Chiasso alles verzollt, folgten 9 Stunden Fahrt bis nach Ancona (I). Unterwegs mal noch auf einer versifften Autobahnraststätte das Nachtessen eingenommen und anschliessend im LKW übernachtet. War eine Erfahrung, müsste jetzt aber nicht jeden Tag so sein #Fernfahrer.
Samstagnachmittag, es ging weiter für eine 20-stündige Fährenfahrt nach Igoumenitsa (GR). Unser Fazit bis dahin „Seien es Italiener oder auch Griechen, mit den WC-Anlagen haben sie ein Problem“. Eine hässlicher (sorry für diesen Ausdruck) als die andere. Nun, man braucht ja einen Grund, wieso man sich wieder auf zu Hause freut.
Sonntagabend mit 1,5 Stunden Verspätung in Igoumenitsa von der Fähre gefahren, standen noch 500km zwischen uns und unserem Endziel. Also hiess es Kaffee, Red Bull und jede Menge Süssigkeiten zu uns nehmen, damit wir schlussendlich nach 8 Stunden in Koropi (etwas ausserhalb von Athen) unseren Lastwagen hinstellen und voller Müdigkeit ins Bett fallen konnten.
Viel Schlaf gab es jedoch nicht. Auf der Traktandenliste stand: Montagmorgen - Anhänger bei AMG international abladen, danach kurz etwas essen und am Nachmittag weiter nach Lavrio (GR). Dies ist der Wohnort von Ezedin, der von Syrien über die Türkei als Flüchtling in Griechenland gestrandet ist und nun seit mehr als 7 Jahren auf seine Papiere wartet. Eine sehr spannende Person und ich bin dankbar, durfte ich mit ihm auf filmische Art und Weise, seine Story erzählen. Hier das Video dazu:
Am Dienstagmorgen standen noch 3 weitere Abladestellen vor uns. Unter anderem auch 5 Palette für AVC Griechenland, die inmitten von Athen einen kleinen Laden/Lagerraum besitzen. Überglücklich standen 2 Griechinnen vor der Tür, als wir mit unserem LKW in diesen engen Strassen vorfuhren. Nicht mehr zu stoppen, dankten sie uns für unsere Arbeit. Nun hätten sie wieder jede Menge Schuhe, Rucksäcke oder auch Hygieneartikel für Flüchtlinge oder Griechen in Not. Es ist schön zu sehen, dass unser Transport, der für uns kein grosser Aufwand war, Leute in Not direkt unterstützt und hilft.
Am Nachmittag waren nochmals Dreharbeiten auf dem Fussballplatz angesagt. Als dann auch diese fertig waren, klingten wir den Abend mit feinen Gyros aus.
Soo, jetzt noch zu meinem Anfang. Es war klar, dass unsere Fähre am Mittwochnachmittag von Patras (GR) aus nach Ancona (I) ablegte. Frühzeitig trafen wir am Hafen von Patras ein. Nun brauchte es noch ein Ticket, das man am Schalter holen musste. LKW parkiert, liefen wir zu diesem Gebäude, holten unsere Tickets und gingen zurück zu unsrem Lastwagen. Timon meinte noch, dass wir, bevor wir auf die Fähre fahren, noch unter die ganze LKW-Kombination schauen sollten. Ich startete nun den LKW, während Timon noch einen letzten Rundgang um den LKW machte. Ein Knallen eines Holzbrettes auf den Asphalt liess mich hochschrecken und durch den Rückspiegel sah ich, wie ein junger Mann, nicht einmal 18 Jahre alt, unter unserem LKW hervorkletterte. In der Hand dieses besagte Holzbrett, mit dem er sich unter unserem Anhänger eingeklemmt hatte. Es ist bekannt, dass Flüchtlinge öfter mal probieren, sich unter einem LKW zu verstecken, um weg von Griechenland zukommen. Nun probierte es also auch jemand bei uns.
Zum einen bringen wir Hilfsgüter nach Griechenland, um Flüchtenden zu helfen, auf der anderen Seite jagen wir sie davon, wenn sie versuchen, ein besseres Leben zu erreichen. Das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht und ich weiss bis heute nicht, wie ich darüber denken soll.
Mit Adrenalin gefüllt befuhren wir die Fähre, die uns zurück nach Ancona (I) brachte. Mit genügend Zeit auf der Fähre, um über das Ganze nachzudenken, strandeten wir am Donnerstagabend im Hafen von Ancona (I). Jetzt nur noch nach Hause.
Da wir jedoch mit einem LKW unterwegs waren, war vor der Schweiz dann wieder fertig. Das Nachtfahrverbot, das in der Schweiz ab 10Uhr gilt, erlaubte uns nicht, über den Zoll in die Schweiz zu fahren. So durften wir noch ein letztes Mal in den Genuss einer heruntergekommenen Raststätte kommen.
Freitagmorgen früh. Die letzte Etappe stand an. Von unserer Raststätte in Como zurück nach Schlieren. Gut angekommen endete da unsere Reise.
Nun ja, rückblickend kann man wohl wirklich sagen, dass diese Woche ganz und gar keine 0815 Arbeitswoche war. Viele neue Leute durfte ich kennenlernen. Sogleich aber auch Gottes Wirken spüren.
Mit vielen Eindrücken und Erinnerungen werde ich wohl dieses Griechenland so schnell nicht mehr vergessen.
Eindrücklicher Bericht über eine spannende Reise.